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Interview mit Dr. Ralph Wiechers: „Die Kunden wissen: Sie können sich auf uns verlassen!“
Dr. Ralph Wiechers · Dr. Ralph Wiechers ist seit 1991 im VDMA beschäftigt und seit 2000 Leiter der Abteilung Volkswirtschaft und Statistik mit der Funktion Chefvolkswirt sowie seit 2015 Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Verbands. Zudem war er von 1998 bis 2024 Leiter der Abteilung Steuern.
Herr Dr. Wiechers, in Deutschland und Europa hat die Industrie eine besondere Bedeutung als Garant für gute Arbeitsplätze und Wohlstand. Was zeichnet den Maschinen- und Anlagenbau hier insbesondere aus?
Der Maschinen- und Anlagenbau zeichnet sich insbesondere durch eine außergewöhnliche Vielfalt aus, da er keine festen Abgrenzungen mit Blick auf seine Abnehmerbranchen kennt. Vom Automobilsektor oder die Luft- und Raumfahrt bis zum Großanlagenbau, von der Verpackungstechnologie über Verfahrenstechnik bis hin zur Medizintechnik – nahezu jeder industrielle Bereich benötigt Maschinenbaukompetenz. Und das gilt für Produktionsanlagen als Ganzes ebenso wie für Komponenten. Das bedeutet, dass wir ständig mit einer Vielzahl von Prozessen und Anforderungen konfrontiert sind, die uns dazu bringen, flexibel und kreativ zu bleiben. Diese Vielfalt ist nicht nur ein Merkmal, sondern auch eine Stärke, die uns ermöglicht, Lösungen für nahezu jede erdenkliche Herausforderung zu finden.
Die Lösung von heute ist also nur die Basis für die Aufgabe von morgen?
Richtig, deshalb müssen die Unternehmen auch immer wachsam und neugierig bleiben. Diese Neugier und eine ausgeprägte Lösungskompetenz sind essenziell im Maschinenbau. Das Motto „geht nicht, gibt’s nicht“ beschreibt unseren Ansatz perfekt. In dieser Branche ist es unerlässlich, ständig nach neuen Wegen zu suchen und sich nicht mit dem Status quo zufriedenzugeben. Wer stehen bleibt oder nur mitläuft, verliert schnell den Anschluss. Die kontinuierliche Suche nach innovativen Lösungen und die Bereitschaft, das Gelernte auf neue Herausforderungen zu übertragen, sind entscheidend, um im globalen Wettbewerb erfolgreich zu bleiben.
Global ist das richtige Stichwort für einen Ökonomen. Wie global ist denn der Maschinen- und Anlagenbau?
Angesichts einer durchschnittlichen Exportquote von rund 80 Prozent dürfen wir mit Fug und Recht sagen: „Wir sind einzigartig auf der Welt“. Vier von fünf in Deutschland produzierten Maschinen werden irgendwo jenseits unserer Grenzen verkauft, insgesamt betrug der Export im vergangenen Jahr rund 208 Milliarden Euro. Und diese enorme Exportstärke wird nicht mit einigen wenigen großen Konzernen erzielt, sondern mit Tausenden von Mittelständlern, die überall dorthin gehen, wohin die Kunden sie rufen.
Maschinenbau ist UNIQUE in der Kundenorientierung
Der Maschinenbau zählt zwar definitionsgemäß zur mittleren Hochtechnologie. Die Wertschöpfungsquote der EU-Maschinenindustrie, definiert als Anteil der Wertschöpfung am Produktionswert, beträgt im Mittel rund 36 Prozent. Sie liegt damit nahe an der der Industrien der sogenannten Spitzentechnologie, die im EU-Mittel bei 39 Prozent liegt.
Im deutschen Maschinenbau liegt die Wertschöpfungsquote sogar bei 41 Prozent, ähnlich hoch liegt sie in Schweden. Noch höher ist sie im niederländischen Maschinenbau mit 45 Prozent. Diese hohe Fertigungstiefe des Maschinenbaus resultiert daraus, dass er vornehmlich einzigartige, kundenspezifische Problemlösungen für individuelle Kundenprobleme schafft. Das erfordert ein hohes Maß an Innovation, einen hohen Personaleinsatz und hohe Anteile selbst erzeugter Komponenten, Teile und Systeme.
Länderübergreifendes Netzwerk in der Fertigung
Die vornehmlich mittelständisch geprägte Maschinenindustrie verfügt über ein einzigartiges, länderübergreifendes Fertigungsnetzwerk im Zentrum von Europa. Besonders stark ist die Branche in industriellen Ballungsgebieten mit einmaligen, hoch spezialisierten Clustern, in denen die Maschinenhersteller ein engmaschiges Geflecht von Zulieferern und Abnehmern haben.
Als einer der Spitzenstandorte der europäischen Maschinenfertigung erweist sich Baden-Württemberg (DE), gefolgt von Bayern (DE), dem Saarland (DE), Nord-Est (IT), Jihovýchod und Severovýchod (beide CZ). Aufgrund der großen Bedeutung der deutschen Volkswirtschaft sowie der deutschen Maschinenbauindustrie innerhalb der EU ist Deutschland u.a. für den Maschinenbau in Tschechien, Polen aber auch in Österreich der wichtigste Auslandsmarkt.