Neue Situationen erfordern neue Strategien: Die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt hat sich in den vergangenen zehn Jahren rasant entwickelt und gewandelt. China ist nach wie vor ein attraktiver Absatzmarkt für europäische Maschinen- und Anlagenbauer, aber auch ein echter Rivale – überall auf der Welt.
Autor: Stefan Hantke, Präsident und CEO Schneeberger Holding sowie Vorsitzender des VDMA-Außenwirtschaftsausschusses
China stellt den Maschinen- und Anlagenbau vor eine immer größer werdende Herausforderung. Die Volksrepublik hat in den vergangenen Jahren bei der Qualität ihrer eigenen Maschinenbauprodukte aufgeholt, ist in vielen Sektoren wettbewerbsfähig geworden und auf den Exportmärkten zunehmend aktiv. Auch die technologische Aufholjagd in China geht weiter und die Lücken zu den westlichen Industriestaaten schließen sich zusehends.
Einher damit gehen ein wachsendes Selbstbewusstsein der chinesischen Regierung, das geopolitische Spannungen verstärkt, anstatt abbaut. Dies zeigt sich auch in immer rigideren staatlichen Eingriffen in das Marktgeschehen. Ein echtes „level playing field“ im gegenseitigen Handel, auf das Europa lange Zeit hingearbeitet hat, ist angesichts zunehmender protektionistischer Maßnahmen in weite Ferne gerückt. Auf dem chinesischen Markt üben industriepolitische Eingriffe der Regierung Druck auf die einheimischen Kundenbranchen aus, „lokal“ zu beschaffen. Und „lokal“ bedeutet in diesem Zusammenhang gerade nicht, von ausländisch investierten lokalen Unternehmen zu kaufen. Auf dem Weltmarkt wiederum versucht Peking mit mehr oder weniger versteckten Subventionen für die eigenen Firmen ein auf China ausgerichtetes Handelsnetz aufzubauen und eine größere Rolle in globalen Fragen zu übernehmen. Gleichzeitig geht es auch um die Verbreitung chinesischer Normen und Standards.
All dies geschieht vor einer über Jahre gewachsenen und engen Verflechtung des Maschinen- und Anlagenbaus mit dem Land. Von den 3600 Mitgliedsunternehmen des VDMA haben rund 900 in China investiert, die Hälfte davon unterhält eigene Produktionsstätten vor Ort. Insgesamt beläuft sich der Bestand an Direktinvestitionen auf 7 Milliarden Euro, das sind 16 Prozent der deutschen Maschinenbauinvestitionen weltweit. Zusammen bieten die VDMA-Mitglieder mehr als 150.000 gut bezahlte und hochwertige Arbeitsplätze vor Ort an. Zwischen 2013 und 2022 stiegen die Maschinenexporte von Deutschland nach China um rund 19 Prozent auf 18,8 Milliarden Euro, im ersten Halbjahr 2023 wurde ein weiterer Zuwachs von 4,4 Prozent verbucht. Trotzdem hat Deutschland vor Ort an Bedeutung verloren - die Anteile am Maschinenimport Chinas sanken zwischen 2013 und 2022 vom 22,5 Prozent auf 16,3 Prozent. Die deutschen Maschinenimporte aus China sind in diesem Zeitraum regelrecht explodiert und stiegen um fast das Dreifache auf 9,3 Milliarden Euro in Jahr 2022. Es gibt damit zwar nach wie vor einen Handelsüberschuss bei Maschinen und Anlagen zugunsten Deutschlands, aber er verkleinert sich stetig.
Diese und viele weitere Veränderungen sollten die europäischen Firmen dazu bringen, ihre China-Strategie anzupassen. Ein verändertes Risikomanagement und die Stabilität von Lieferketten zur Stärkung der Liefersicherheit stehen derzeit im Fokus. Einige Firmen wählen den Weg, verstärkt auf lokale Produktion und Kooperationen vor Ort zu setzen („local für local“), um damit auf dem chinesischen Markt schneller zu werden und sich zugleich unabhängiger von geopolitischen Auseinandersetzungen zu machen. Das ist aber erst ab einer gewissen Unternehmensgröße möglich. Für viele Maschinenbauunternehmen kann eine Losung daher auch „Diversifizierung“ lauten. In Indien, Taiwan und den südostasiatischen Ländern wächst die Wirtschaft und somit auch die Nachfrage nach modernen Maschinen und Ausrüstungen. In diesen Regionen ist der europäische Maschinenbau seit vielen Jahren unterrepräsentiert. Weltweit steigt in Schwellenmärkten die Nachfrage nach Maschinen- und Ausrüstungsgütern an – in Lateinamerika, Afrika oder auch Zentral- und Südasien. Dort sind Infrastrukturentwicklung und Industrialisierung auf dem Vormarsch. Durch den Aufbau einer starken Präsenz in diesen Märkten könnten Maschinenbaufirmen die Abhängigkeit vom chinesischen Markt relativieren. Und die dortigen Marktgrößen lassen es zu, dass auch kleinere Unternehmen daran teilhaben können. Dennoch wird das chinesische Marktvolumen auch mittelfristig nicht durch Diversifizierungsmaßnahmen zu ersetzen sein.
Dasselbe gilt auch für die Lieferketten, aber auch sie müssen breiter aufgestellt werden. Nur der Aufbau robuster und widerstandsfähiger Lieferketten wird den Maschinenbaufirmen helfen, Risiken im Zusammenhang mit geopolitischen Spannungen, Handelsstreitigkeiten und Störungen auf dem chinesischen Markt zu mindern, wie sie etwa während der Corona-Pandemie schmerzhaft zu spüren waren. Einfach wird diese Diversifizierung gewiss nicht. Aber die bequemen Jahre im Geschäft mit China gehören der Vergangenheit an – aus dem Partner ist zugleich ein Wettbewerber und ein Systemrivale geworden. Nichtsdestotrotz ist und bleibt China einer der weltweit größten Märkte und wir müssen uns den neuen Gegebenheiten permanent anpassen. Dies ist uns ja bereits in der Vergangenheit immer sehr gut gelungen und sollte uns einen Zugang zu diesem wichtigen Markt sichern.